Zwillinge stillen: Stillen von Zwillingen: Ich freue mich, Euch heute mal wieder ein interessantes Interview zum lesen geben zu können, diesmal kommt die Stillberaterin Jana-Gerber-Tempel zu Wort.
Danke für die Einladung zum Interview.
Es freut mich, dass ich hier sein darf. Nun wie du schon gesagt hast, heisse ich Jana Gerber-Tempel. Ich bin Stillberaterin IBCLC, Pflegefachfrau und Autorin des Stillratgebers „Muttermilch – Auch für Zwillinge das Beste“. Ich bin verheiratet und Mutter von inzwischen 10 Jahre alten Zwillingsbuben und einer 12 jährigen Tochter.
Wann hast Du denn die Ausbildung zur Stillberaterin begonnen und wie kam es zur Entscheidung dieser Ausbildung?
Ich beginne mal mit der Idee, die langsam in mir gereift ist, diese Ausbildung anzutreten. Das war bereits einige Jahre vorher, als ich noch im Spital als Pflegefachfrau auf der Wochenbettabteilung arbeitete. Dort entdeckte ich meine Leidenschaft für den Bereich Mutter und Kind und wollte mehr wissen. Ich hatte die Wahl zwischen der Ausbildung zur Hebamme oder zur Stillberaterin. Ursprünglich fiel die Entscheidung, die Hebammenausbildung anzutreten. Aber dann kam die Schwangerschaft mit unsere Tochter dazwischen, und ich legte diesen Plan beiseite. Knapp zwei Jahre später folgten der Tochter unsere Zwillingsbuben, womit das Familienleben vorerst ganz im Zentrum stand. Alle Kinder konnte ich dank meines guten Stillvorwissens sehr gut stillen. Ich hatte jeweils genug Milch für ein halbes Jahr Vollstillzeit und brauchte erst nach sechs Monaten mit der Beikost zu beginnen. Die Kinder und ich genossen die Stillzeit sehr. Wir hatten auch das Glück, keine Startprobleme überwinden zu müssen, und so stillte ich deutlich über den 1. Geburtstag der Kinder hinaus – begleitet von Beikost. Speziell bei den Zwillingen entspannten mich die Stillhormone enorm und halfen mir über lange Perioden schlafarmer Nächte. Nach der Stillzeit setzte mir der Schlafmangel mächtig zu, weshalb ich im Nachhinein sage, ich hätte die Stillzeit noch länger ausdehnen sollen – eben doch bis zum 2.Geburtstag der Kinder, wie ich es mir vorgenommen hatte und es von UNICEF und WHO auch empfohlen wird. Aber ich habe dem Druck des Umfeldes, „doch endlich mal abzustillen“, nur bis zum 17. Lebensmonat standgehalten. Als die Buben 3 Jahre alt waren, begann ich die Ausbildung zur Still- und Laktationsberaterin, denn diese ließ sich mit dem Familienleben vereinbaren.
Die Ausbildung zur Still- und Laktationsberaterin IBCLC habe ich im 2011 abgeschlossen. Seit 2012 arbeite ich freiberuflich in der Stillberatung und der ambulanten Wochenbettbetreuung. Meinen Fokus legte ich, durch die eigene innige und erfolgreiche Stillzeit mit den Jungs, bereits während der Ausbildung auf das Zwillingsstillen. Denn ich schrieb in dieser Zeit den Zwillingsratgeber „Muttermilch – auch für Zwillinge das Beste“ als meine Facharbeit.
Kommen viele Zwillingsmütter in deine Beratung?
Inzwischen finden immer mehr Zwillingsmütter den Weg zu mir, was mich sehr freut. Auch Kolleginnen, Ärzte und sogar Hebammen machen die Frauen zunehmend auf mein Angebot aufmerksam. Meine Homepage ist diesbezüglich sehr hilfreich. Durch sie finden mich auch Auswärtige, die mich für eine Stillberatung anfragen. Zum Teil reisen die Mütter/Eltern schon mal eine Stunde bis zu mir in die Beratung. Wenn der Weg zu weit ist, besteht aber auch die Möglichkeit einer kostenpflichtigen Telefonberatung. Bereits diese kann in vielen Situationen neue Impulse und Ideen liefern, wie die Mutter ihre aktuelle Stillsituation verbessern kann.
Welche Vorteile bietet das Stillen, auch im Bezug auf das Stillen von Zwillingen?
Vorteile des Stillens gibt es viele. Wenn man die Anfangszeit geschafft und sich das Stillen eingespielt hat, kommen diese für die Mutter spürbar zum Tragen:
- Sie hat immer die perfekte Nahrung in der richtigen Temperatur, keimarm und frisch von der Quelle dabei. Sie muss keine Pulvermilchflaschen auswärts mit sich herum tragen. Sie kann spontan länger bei Freunden bleiben, denn sie muss nicht aufbrechen, weil der Flaschenvorrat aufgebraucht ist.
- Muttermilch enthält viele Antikörper gegen Viren und Bakterien, die ganz auf den aktuellen Bedarf der Kinder abgestimmt sind. Die Mutter kommt mit den Erregern in Kontakt und bildet die entsprechenden Antikörper. Diese gelangen durch das Stillen zu den Säuglingen und schützen die Kind(er). Dadurch werden sie deutlich weniger krank – was auf Dauer auch die Kraftreserven der Mutter schont. Bei Magen-Darm-Erkrankungen ist Muttermilch oft das Einzige, was ein Kind noch zu sich nehmen mag, verträgt und das die Erkrankung lindert.
- Muttermilch passt sich dem Bedarf an – in der Menge und auch in der Zusammensetzung – ganz dem Alter der Kinder entsprechend.
- Stillen ist Nähe und Kuschelzeit und fördert die Mutter-Kind-Bindung. Besonders bei dem großen Arbeitsaufwand mit Zwillingen ist dieser Punkt nicht zu unterschätzen.
- Muttermilch fördert die Hirn- und Sehreife, was ganz besonders bei Frühgeborenen wichtig ist. Einen Monat lang produziert die Mutter spezielle Frühgeborenenmilch, wenn die Kinder zu früh das Licht der Welt erblicken. Diese Milch kann man sogar mit einem heilenden Medikament gleichsetzen. Denn es ist viel mehr als nur Ernährung. Frühgeborene sind noch unreif. Ihr Immunsystem und der Darm sind noch sehr anfällig. Muttermilch kleidet den Darm schützend aus und reduziert das Risiko für Komplikationen erheblich. Lange gestillte Kinder zeigen eine bessere Kieferentwicklung, da der Mund an der Brust während der Stillzeit immer weit geöffnet werden muss.
Muss man ein schlechtes Gewissen haben, wenn man sich gegen das Stillen entscheidet?
Nicht jede Mutter kann stillen. Mitunter sind die Startbedingungen so schwierig, dass es deutlich länger dauern kann, bis die reichliche Milchbildung (Milcheinschuss genannt) einsetzt. In diesen Fällen müssen Neugeborene zugefüttert werden, dass sie zunehmen und nicht zu viel Gewicht verlieren. Ist die Stillberatung der Mutter in dieser Zeit nicht optimal, hat sie schnell weniger Milch oder gar keine mehr. Dann wird es für sie sehr arbeits- und zeitintensiv, wenn sie das Pendel wieder umschlagen lassen möchte. In wenigen Fällen (3-5%) haben Frauen tatsächlich zu wenig Drüsengewebe, um ausreichend Muttermilch produzieren zu können. Auch eine Mutter die ihre Kinder mit der Flasche ernährt, ist eine liebevolle Mutter. Ein schlechtes Gewissen ist niemals hilfreich. Auch sie kann viel Kuschelzeit mit ihren Kindern verbringen, viel Nähe und Hautkontakt geben. Die Flasche sollte sie den Kindern allerdings nicht in die Hand drücken, sondern auch wie beim Stillen in nahem Körper- und Blickkontakt mit den Kindern geben. Die Liebe und Nähe zählt, und die gibt sie ihren Kindern genauso.
Was würdest du auf folgende Fragen in deiner Beratung erwidern?
Reicht meine Milch für Zwillinge oder auch für drei Babys?
Ja, Muttermilch reicht im Normalfall für zwei oder sogar für drei Babys. Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Je öfter die Kinder an der Brust sind, desto mehr Milch wird produziert. Wichtig für eine Zwillingsmutter ist allerdings, dass sie vom Umfeld sehr entlastet wird. Das Stillen von mehreren Kindern erfordert einen sehr großen Zeitaufwand und auch eine gute Ernährung der Mutter, damit sie bei Kräften bleibt. Sie braucht also Hilfe für den Haushalt und jemanden, der gutes nahrhaftes Essen bereit stellt oder vorbei bringt. Je mehr Kinder sie stillt, desto wichtiger ist das. Zwillinge kann die Mutter im Idealfall parallel stillen, um Zeit zu sparen. Bei Drillingen klappt das nicht mehr. Ich empfehle Zwillingsmüttern von Termingeborenen ab dem Spitalaustritt mindestens für 6 Wochen eine permanente Hilfe im Haus zu haben. Das kann der Mann sein und anschließend die Oma der Kinder oder auch eine Praktikantin. Bei Frühgeborenen ist es sinnvoll, diese Hilfe auf 3 Monate zu verlängern. In dieser Zeit sollte sich das Stillen und das Familienleben soweit eingespielt haben, dass sie abschätzen kann, welche Unterstützung sie weiterhin braucht. Für Drillinge und mehr Kinder sollte die Mutter sich bereits in der Schwangerschaft für lange Zeit Hilfe organisieren.
Meine Babys kamen zu früh und liegen noch im Krankenhaus, kann ich trotzdem stillen? Was muss ich beim Abpumpen beachten?
Kommen Kinder deutlich zu früh auf die Welt, ist die Sorge um die Kinder oft sehr gross und die Eltern fühlen sich hilflos. Die Mutter kann jedoch etwas sehr Wichtiges tun: Sie kann ein bedeutendes Heilmittel für ihre Kinder bereitstellen, indem sie so früh wie möglich und sehr häufig am Tag abzupumpen beginnt. Sie sollte sich das Pumpen mit einem Set für beide Brüste gleichzeitig instruieren lassen und so bald wie möglich das Pumpen beginnen – spätestens sechs Stunden nach der Geburt. Sie Stillhormone wirken schneller und besser, wenn sie ihre Kinder dabei sieht – direkt oder auch auf einem kleinen Video oder auf einem Foto. In den ersten Tagen kommen nur sehr wenige Tropfen Muttermilch. Das ist normal. Es braucht die Stimulation an der Brust, damit sich die Milchmenge schon bald deutlich steigert. In der Zeit des Spitalaufenthaltes ist es gut, wenn die Mutter am Tag zweistündlich beide Brüste abpumpt und nachts zweimal vier Stunden Ruhepause einlegt. Fällt einmal eine Pumpzeit aus (z.B. wegen spitalinternen Aktivitäten etc.), kann sie diese Pumpzeit nachholen, indem sie kurzzeitig im Ein-Stunden-Rhythmus abpumpt oder eine Stunde Powerpumpen einschiebt. Beim Powerpumpen (nach Walker) pumpt die Mutter ca. 10 min, dann macht sie 10 -12 min Pause und pumpt erneut. Das Ganze macht sie im Wechsel eine Stunde lang. Vor und während des Abpumpens ist es sinnvoll die Brust zu massieren. Dadurch wird deutlich mehr Milch gefördert als ohne unterstützende Brustmassage. Mit diesen Maßnahmen regt sie die Milchbildung optimal an. Diese intensive Pumphäufigkeit gilt vor allem für die ersten Tage im Spital. Ziel ist es, einen spürbaren Milchüberschuss zu produzieren. Ist dieser erreicht, kann von 8-10 Mal auf 6-8 Mal täglich abpumpen reduziert werden. Milchüberschuss wird aus folgendem Grund angestrebt: Sehr kleine Frühgeborene haben einen erhöhten Energiebedarf, den die Muttermilch allein oft nicht decken kann. In diesem Fall wird die Muttermilch im Spital mit zusätzlichen Kalorien angereichert. Wenn die Mutter überschüssige Milch hat, besteht die Möglichkeit, die Kinder mit zusätzlichen Muttermilchkalorien anzureichern, indem man z.B. der nicht benötigten Milchmenge den Rahm abschöpft und den Kindern zuführt. Dazu kommt, dass der Muttermilchbedarf mit dem Alter der Kinder steigt. Geht die Mutter mit einem Überschuss nach Hause und der Bedarf der Kinder steigt, nähert sich schnell die Nachfrage dem vorhandenen Angebot an. Die Steigerung des Muttermilchbedarfs zu Hause ist viel schwieriger als im Spital. Zu Hause kommt wegen der Arbeiten im Haushalt schnell Stress auf, Pumpzeiten vergehen, ohne dass sie Zeit zum Abpumpen gefunden hat. Im Spital hingegen kann sich die Mutter ganz ihren Kindern und dem Pumpen widmen. Eine Spitalentlassung mit Milchvorrat kann also die Situation zu Hause bereits erheblich entspannen. Das gilt im Übrigen auch für Termingeborene Mehrlinge. Mitunter sind auch Termingeborene noch müde und trinken zu wenig effizient an der Brust, um diese gut zu entleeren und anzuregen. Auch in diesen Fällen ist es gut, mit zusätzlichem Pumpen die Muttermilchmenge zu steigern.
Im Zusammenhang mit den noch etwas trinkschwachen Kindern, die zwar wenige Minuten aber noch nicht effizient genug saugen, möchte ich gern noch das Stillen mit erhöhter Kalorienzufuhr erklären. Man nennt es Hintermilchstillen. Die Mutter muss wissen, dass sich die Muttermilch sogar während einer Stillmahlzeit verändert. Am Anfang kommt die flüssigere Milch gegen den Durst des Kindes – die Vormilch. Nach wenigen Minuten schon wird sie dicker, fetthaltiger und kalorienreicher. Diese nennt man Hintermilch. Bei schwachen Stillkindern und nur bei Muttermilchüberschuss kann man sich diese Physiologie zunutze machen: Die Mutter pumpt wenige Milliliter ab (ca. 30-50ml sein, sollte aber individuell mit der Stillberaterin IBCLC angeschaut werden) und legt dann direkt ihre Kinder an und stillt die kalorienreiche Hintermilch. Damit gedeihen die Kinder besser, es muss weniger oder gar nichts mehr zusätzlich verabreicht werden, damit die Kinder gut zu nehmen.
Welche Möglichkeiten gibt es, die Milchbildung anzuregen?
An erster Stelle steht häufiges Stillen der Kinder. Schaffen es die Kinder noch nicht, selbst die Brust effizient zu leeren, muss es die Mutter auf eine andere Weise tun. Entweder streicht sie ihre Brüste mit der Hand intensiv aus oder sie verwendet dazu eine Milchpumpe.
Mehrlingsmüttern empfehle ich grundsätzlich ein doppeltes Pumpset für beide Brüste gleichzeitig. Das ist nicht nur zeitsparend, sondern erhöht auch die Stillhormone während der Abpumpzeit. Der Milchspendereflex wird durch feuchtes Vorwärmen und Massieren der Brüste direkt vor dem Pumpen oder Stillen begünstigt. Auch während des Abpumpens ist es vorteilhaft, nach jeweils fünf Minuten das Pumpen kurz zu unterbrechen, um nochmals das Brustgewebe zu massieren. Am Ende sollten beide Brüste insgesamt ca. fünfzehn Minuten abgepumpt werden.
Welche Stillpositionen gibt es für Zwillinge? Wie kann man Zwillinge stillen?
Werden die Zwillinge nacheinander gestillt, ist der Vorgang gleich wie bei Einlingen. Werden die Kinder miteinander gestillt, ist am Anfang die Seitenhaltung sehr praktisch. Liegen die Kinder auf einem stabilen Stillkissen, hat die Mutter ihre Hände frei und guten Blickkontakt zu ihnen.
Möglich ist auch, ein Kind in Seitenhaltung und das andere vor ihre Brust in den Wiegegriff zu nehmen. Weitere Stillpositionen sind die gekreuzte Wiegenhaltung und die V-Haltung der Kinder vor dem Bauch der Mutter, wie sie auf dem Deckblatt meines Ratgebers zu sehen ist. Die V-Haltung ist je nach Position der Mutter veränderbar. Die Kinder können leicht seitlich vor dem Bauch der Mutter liegen oder bäuchlings auf ihr. Die Mutter kann aufrecht sitzen oder besser etwas nach hinten gelegt. Liegt sie sogar ganz flach im Bett und unterstützt ihre Arme mit Kissen, wird daraus eine parallele Liegeposition der Kinder. Meistens klappt das Stillen liegend aber erst dann gut, wenn die Kinder schon einige Wochen alt sind und mehr Kopfkontrolle haben. Wenn sie gut positioniert vor der Brust liegen, können sie dann schon (fast) selbständig an der Mamille andocken,. Mit schwachen Neugeborenen ist es eher etwas schwierig. Wenn ein Kind die Warze verliert, hat die Mutter keine Hand frei, um es wieder an die Brust zu führen. Es braucht daher anfangs die Hilfe des Partners, um diese Stillposition zu erlernen. Wenn die Stillposition halb sitzend oder sogar liegend mal funktioniert, ist sie für die Mutter sehr entspannend.
Am Anfang der Stillzeit sollten die Stillpositionen noch häufig gewechselt werden, um die Brustwarzen zu schonen. Je nach Lage werden sie unterschiedlich beansprucht. Mit der Zeit gewöhnen sich die Warzen jedoch an das Stillen. Dann spielen Positionswechsel keine große Rolle mehr. Jede Stillende wird für sich selbst herausfinden, welche Position(en) auf Dauer am besten funktionieren.
Kann man Zwillinge synchronisieren, sprich gemeinsam stillen?
Zwillinge kann man auch zeitlich synchronisieren. Frühgeborene kommen bereits oft in einem 3 Stundenrhythmus aus der Klinik.
Termingeborene jedoch werden im Spital nach Bedarf gestillt. Sind die Neugeborenen sehr schläfrig und schwach, ist das Gleichschalten eher schwierig. Sobald sie etwas wacher und kräftiger werden (manche sind das sogar von Anfang an – wie unsere eigenen damals), ist das möglich. Dann heißt „Stillen nach Bedarf“ = Parallelstillen beider Kinder, wenn sich das erste Kind meldet. Sehr hilfreich ist dabei das Pucken und das gemeinsame aneinander Liegen in einem Bett. Wird ein Kind wach und fängt an, sich zu bewegen, schubst es durch seine Bewegungen auch sein Geschwisterchen aus dem Tiefschlaf. Auch wenn es nicht vollständig wach wird, lassen sich die meisten Kinder irgendwann im Halbschlaf an die Brust legen und trinken parallel mit.
Gibt es Möglichkeiten für den Partner, die Mutter beim Stillen der Zwillinge zu unterstützen?
Die Einstellung des Partners zum Stillen ist tatsächlich entscheidend. Für die junge Mutter ist es sehr stärkend, wenn er das Stillen befürwortet. Diese Frauen stillen signifikant länger als Frauen, bei denen der Partner das Stillen nicht unterstützt. Der Partner kann zudem der Mutter den Rücken frei halten und sie entlasten. Er kann nicht nur ungebetene Gäste abhalten und im Haushalt helfen, sondern außer dem Stillen selbst alles tun, was auch die Mutter macht: Kinder wickeln, massieren, mit ihnen kuscheln, spazieren gehen, sich mit ihnen beschäftigen und so weiter.
Welche unterstützenden Produkte (Stillkissen, Milchbildungstee etc.) kannst du empfehlen?
Die Milchbildung wird an erster Stelle durch häufiges Stillen der Kinder gesteigert. Möchte die Mutter dazu etwas Unterstützendes einnehmen, würde ich ihr Boxhornkleesamen-Kapseln empfehlen. Manche Mütter schwören aber auch auf Homöopathie, Milchbildungskugeln oder verschiedene Getränke. Diese sollten auf jeden Fall alkoholfrei sein. Was immer der Mutter mental gut tut, ist hilfreich. Ich persönlich würde auf Pfefferminz- und Salbeiprodukte verzichten. Es heißt zwar seit Neustem, es sei nicht belegt, dass Pfefferminztee die Milchbildung hemmt. Nach meiner eigenen Erfahrung bei unserer Tochter haben sich die Milchbildung hemmenden Eigenschaften jedoch bestätigt. Nachdem ich eine Woche ein Pflanzenpräparat mit verstecktem Pfefferminzzusatz genommen hatte, war plötzlich meine Milch weg. Es folgte 3-4 Tage Marathon-Stillen und natürlich das Absetzen des Präparates, um die Milchbildung wieder auf den alten Stand zu bringen.
Lagerungskissen zum Stillen zu verwenden ist sehr empfehlenswert, da es das Positionieren der Kinder erheblich erleichtert. Es gibt verschiedene Zwillingskissen, die alle ihre Vorzüge bieten. Für das parallele Stillen in Rückenlage der Mutter habe ich das Kissen mit den Styroporkügelchen sehr gern. Es hilft die Arme der Mutter hoch zu lagern. Beim Stillen im Sitzen, wenn die Kinder direkt auf dem Kissen liegen, rutschen diese mit den Stüropokissen jedoch oft nach unten ab. So haben sie mit der Zeit die Brustwarze schlechter im Mund oder verlieren sie ganz. Dadurch können die Warzen verletzt werden und nach dem Stillen schmerzen. Für sitzende Stillpositionen sind daher Kissen mit Schaumstofffüllung besser geeignet. Ich persönlich habe mit Neugeborenen und Frühgeborenen sehr gute Erfahrungen mit dem „Zwillingsstillkissen Plus“ von „baby wild“ gemacht. Die Mutter hat das Kissen rund um ihren Bauch gelegt und am Rücken mit einer Schnalle befestigt. Darauf sind die Kinder sehr gut und stabil direkt vor der Brust gelagert und rutschen nicht weg. Gleichzeitig hat es seitlich eine Tasche für die Trinkflasche der Mutter, die beim Stillen immer in greifbarer Nähe sein sollte. Gerade für die häufig etwas schwierige Anfangszeit finde ich dieses Kissen perfekt. In der Schweiz kann es beim Zwillingsverein gemietet werden, denn man braucht es ja doch nur für wenige Monate.
Es gibt aber sicher auch noch viele andere Zwillingskissen, die gute Dienste erweisen, mit denen ich bisher keine persönlichen Erfahrungen gemacht habe.
Die Milch geht zurück, wie kann ich das verhindern?
Stress und Anspannung der Mutter können den Milchfluss verringern. Da hilft nur Unterstützung holen, für Entspannung sorgen, gut essen und die Stillhäufigkeit steigern. Auch mental sollte sich die Mutter entspannen und sich nicht zu sehr unter Druck setzen. Der innere Zwang: „Ich muss unbedingt stillen“ kann die Milchbildung bereits hemmen. Schon manche Mutter hatte erst genug Milch als sie sich sagte: „Egal, dann stille ich halt nicht voll, sondern nur teilweise“. Mit der inneren Entspannung konnte dann auch die Milch richtig fließen.
Nach dem Stillen schmerzt immer meine Brust, woran kann das liegen?
Das kann verschiedene Ursachen haben. Das kann an einer falschen Anlegetechnik liegen, wenn das Kind die Brustwarze quetscht. Es kann aber auch ein Soor (Pilzinfektion) in den Milchgängen oder ein Krampf (Vasospasmus/Raynaud’s Phänomen) sein. Auch wunde Brustwarzen schmerzen nach dem Stillen – am meisten jedoch beim Andocken des Kindes. In jedem Fall sollte sich die Mutter die Hilfe einer Stillberaterin IBCLC holen. Denn jede einzelne Situation sollte gezielt angeschaut und behandelt werden.
Du hast das Buch Muttermilch – auch für Zwillinge das Beste geschrieben, möchtest du es hier kurz vorstellen?
Ja, das mache ich gern. Das Buch ist ein Stillratgeber für Zwillingsmütter. Im Idealfall liest die Frau ihn bereits in der Schwangerschaft, denn danach fehlt ihr die Zeit dafür. Hat sie ihn gelesen, weiß sie nach der Geburt, wo sie rasch ihre jeweils benötigten Informationen nachschlagen kann. Der Ratgeber ist kurz gehalten und zur schnellen Übersicht in drei Teile aufgeteilt: Die Zeit in der Schwangerschaft, die Zeit im Spital und die Zeit zu Hause. Er enthält neben allen grundlegenden Stillinformationen und der richtigen Stilltechnik auch viele Tipps, die den Alltag erleichtern. Es sind verschiedene Möglichkeiten über das Teilstillen beschrieben und am Ende des Buches kommen ein paar Frauen mit ihren eigenen Stillerfahrungen zu Wort. Viele Mütter haben mir bereits bestätigt, dass das Buch für sie sehr hilfreich war.
Allerdings ist das Hintermilchstillen/-pumpen, das ich heute hier erklärt habe, noch nicht enthalten. Das wird bei einer Neuauflage ergänzt.
Der Ratgeber ist erhältlich beim Twinmedia-Verlag in der Schweiz, aber auch Amazon.de (leider im Moment nicht lieferbar) bietet es als Taschenbuch oder E-Buch an.
Was würdest du neuen Zwillingseltern abschließend noch auf den Weg geben wollen?
Ich würde Zwillingsmüttern empfehlen, bereits in der Schwangerschaft Hilfe für nach der Geburt zu organisieren.
Weiter würde ich ihr raten, sich über die Möglichkeiten des Stillens von Zwillingen und die Stilltechniken zu informieren. Die richtige Anlegetechnik kann wunde Brustwarzen verhindern, welche ein häufiger Abstillgrund in der Anfangsphase sind.
Während des Spitalaufenthaltes wäre es gut, das Anregen der Milchbildung auf Überschuss anzustreben.
Und als Letztes möchte ich allen Mehrlingsmüttern, die verzweifelt um das volle Stillen kämpfen, ganz laut sagen: „Besser Teilstillen als Abstillen!“. Denn manche Mütter kämpfen am Anfang sehr um das volle Stillen und geben dann irgendwann verzweifelt ganz auf. Aber auch wenn die Kinder nicht ausschließlich Muttermilch bekommen, so nützt doch jeder Tropfen Muttermilch dem Kind. Die Antikörper sind dennoch darin enthalten und schützen auch das teilgestillte Kind vor Viren und Bakterien. Auch die anderen Vorteile der Muttermilch wirken – nur ein bisschen weniger als beim vollen Stillen.
Mit mir kann man gerne Kontakt aufnehmen über meine Homepage:
Ich biete neben den persönlichen Stillberatungen auch Stillvorbereitungsabende für werdende Zwillingseltern in Zürich und Umgebung an. Man darf mich anrufen, mailen oder SMS schreiben. Telefon- und Mailberatungen sind keine Krankenkassenleistung. Pro 10 Minuten Zeitaufwand stelle ich 13 CH-Franken in Rechnung. Daher wäre ich jeweils sehr froh um die persönlichen Kontaktangaben vor der Beratung, die ich für die Rechnung benötige. Gratis Beratungen kann ich leider keine machen, da ich freiberuflich tätig bin und meine Familie damit ernähre.
Vielen lieben Dank für das interessante Interview und die Mühe die Du dir damit gemacht hast, ich wünsche Dir für deine weitere Arbeit und deine Familie nur das Allerbeste.
Habt Ihr noch Fragen zum Thema? Konntet Ihr Eure Zwillinge stillen oder habt Ihr Euch bewusst gegen das Stillen entschieden? Ich freu mich auf Eure Kommentare. 🙂