fbpx

Wenn der frühe Tod des Partners alle Pläne über den Haufen wirft

geschrieben von Agnes

Das Leben als junge Witwe – Wie lebt man weiter, wenn der Partner und Vater der Kinder plötzlich stirbt?

Im heutigen Interview geht es um ein schwieriges Thema, bzw. etwas, worüber wir uns alle nicht viele Gedanken machen, einfach weil man so was gern von sich weg schiebt. Umso mehr, freue ich mich, dass sich Julia bereit erklärt hat, ein paar Fragen zu beantworten.

Liebe Julia, magst Du Dich kurz vorstellen? Wer gehört zu Dir, woher kommst Du? Was machst Du so?

Ich heiße Julia und bin 29 Jahre alt. Zu mir gehören meine Zwillinge (werden im Juni 2) und meine Tochter (9 Jahre alt). Derzeit bin ich in Elternzeit  und versuche unser Leben nach dem Tod meines Mannes und Papas unserer Kinder neu zu ordnen. Wir kommen aus einem kleinen Ort im schönen Rheinland-Pfalz.

Der Tod des Ehepartners ist eine der schlimmsten Stresssituationen, deren Verarbeitung die Grenzen der Belastbarkeit aller überlebenden Familienmitglieder aufzeigt. Am schlimmsten vor allem dann, wenn der Tod des Partners in jungen Jahren, völlig unerwartet eintritt und neben dem überlebenden Partner, gemeinsame Kinder davon betroffen sind.

Leider ist Dein Mann und Papa Eurer Kinder plötzlich verstorben. In diesem Moment gerät die eigene Welt ja aus den Fugen und nichts ist mehr, wie es mal war ….

Wie alt warst du und Eure Kinder, als er gestorben ist und wie erinnerst du dich an seinen Tod?

Ich war grade 29 Jahre alt, unsere große Tochter wurde 4 Tage vorher 9 und die Zwillinge waren knapp 15 Monate alt. Ich erinnere mich leider noch sehr gut an seinen Tod – es war der bisher schlimmste Tag meines Lebens.

Was war für dich das Schlimmste an seinem Tod und wie hast du es geschafft damit umzugehen? Wie hast Du es geschafft dies Euren Kindern mitzuteilen?

Das Schlimmste an seinem Tod war, dass es so plötzlich und ohne Vorwarnung passiert ist. Er hat sich morgens noch gesund und munter von den Kindern und mir verabschiedet und hat sich auf den Weg zur Arbeit gemacht.

Ich habe es damit „geschafft“, dass ich einfach funktionieren musste. Da waren ja schließlich 2 kleine Prinzen, die KEINE Ahnung hatten was los ist und eine Prinzessin, deren Welt zerbrach.

Die Zwillinge waren den ganzen Tag mit im Krankenhaus. Sie waren in einem kleinen Aufenthaltsraum mit einem Teil meiner Familie und wurden dort mit Spielsachen und Essen und Trinken versorgt. Zu meiner Tochter in die Schule hab ich meinen Papa geschickt, damit er es ihr sagt. Furchtbar!

Wer oder was hat dir am meisten geholfen, mit dem Verlust fertig zu werden?

Unsere Kinder, Familie und Freunde. Ich bin ihnen so unglaublich dankbar.

Was würdest du jemandem sagen, der gerade in einer ähnlichen Situation mit dem Tod konfrontiert ist?

Du musst nicht stark sein, lass dir das nicht einreden. Du darfst weinen, du darfst zusammenbrechen – tu was dir in diesem Moment „gut tut“. Du brauchst dich für nichts zu schämen und erst recht nicht zu rechtfertigen. Lass dir von niemandem etwas einreden.

Wie denkst du heute über deinen Mann und seinen Tod?

Ich bin immernoch wütend darüber, dass ausgerechnet mein Mann gehen musste. Ich verstehe es einfach nicht. Er war gerade 30 Jahre alt geworden und ein stolzer, glücklicher Papa. Ich vermisse ihn, aber ich kann immer positiver an unsere gemeinsame Zeit zurück denken, denn er war es, der mir 3 wundervolle Kinder geschenkt hat und mich mit all meinen Macken geliebt hat. Natürlich gibt es aber auch Tage und Momente in denen ich plötzlich ohne Vorwarnung losheule, aber das darf sein!

 

Wie hat dich der Tod deines Mannes verändert?

Ich musste plötzlich so vieles lernen. Mein Mann hat sich immer um den ganzen finanziellen Kram und alles was mit Technik usw zu tun hat gekümmert. Er sagte immer „Schatz, kümmere du dich um die Kinder, die sind wichtiger, den Rest erledige ich“. Ja, war vielleicht nicht ganz so schlau, aber wer rechnet damit, dass man mit 30 „einfach so“ stirbt?

Gibt es gemeinsame Pläne, die Du trotzdem weiter verfolgst?

Unser größter Plan war es, unsere Kinder erfolgreich und glücklich ohne größere Probleme aufwachsen zu sehen. Das ziehe ich definitiv durch! Wir wollten uns den Garten schön machen, da bin ich mit Unterstützung meiner Eltern dabei. Die anderen Pläne kann ich ohne meinen Mann leider nicht weiter verfolgen.

Wie lebt Ihr die Trauer als Familie? Gibt es Rituale zwischen den Kids und Dir um Sven in Euer Leben zu integrieren und die Erinnerungen lebendig zu halten?

Das wichtigste ist: die Person nicht verschweigen! Über ihn erzählen, als würde er nur einen Raum nebenan sein, oder mit im Raum sitzen. Wir haben eine Vitrine mit Bildern, Engeln, Kerzen usw. Das ist seine Erinnerungsecke.

Außerdem haben wir eine Erinnerungskiste mit wichtigen Sachen drin (Geldbeutel, Personalausweis, Lieblingsshirt, Brille, Hochzeitsanzug usw) und wir gehen regelmäßig zum Grab, bringen ihm neue Blumen und Kerzen. Wir erzählen viel von ihm, damit die Zwillinge das Gefühl haben, sie können sich wirklich an ihren Papa erinnern.

Hast Du hilfreiche Tipps um Kindern dabei zu helfen, wenn ein Elternteil gestorben ist?

Die Kinder auf keinen Fall direkt zu einem Psychologen oder so schleppen. Die wenigsten Kinder brauchen das. Ich war mit unserer Tochter nach 4 oder 5 Monaten bei einem und er sagte, es sei völlig normal wie sie trauert und sie braucht keine Hilfe.

Kinder trauern anders als Erwachsene. Die einen sind wütend, die anderen lassen erstmal keine Nähe zu, andere machen als wäre nichts passiert und wieder andere weinen erstmal tagelang. Lasst alles zu, außer sie wollen plötzlich keine Freunde mehr, werden schlecht in der Schule (wenn sie vorher gute Schüler waren) oder verändern ihr Wesen komplett, so dass es euch Angst macht. Dann sucht bitte dringend Hilfe. Kindliche Trauer braucht sehr viel Feingefühl. Am schönsten wäre es, wenn kein Kind um ein Elternteil trauern müsste.

Welchen Fragen Deiner Kinder waren bzw. sind am schwersten zu beantworten?

Diese Frage, die man sich selbst und auch sonst niemand einem beantworten kann: „Warum?“. Wenn ich das nur wüsste. Diese Frage ist die allerschlimmste. Und mir graut es davor, wenn die Jungs in das Alter kommen, in dem sie anfangen zu fragen, wo denn ihr Papa ist…

Rituale für Papa

Gibt oder gab es Momente, wo Du Dich von Deiner Umgebung unverstanden gefühlt hast?

Die gab es öfter und gibt es auch immernoch. Niemand, der noch nie in dieser Situation war (und da kann jeder froh sein, der diesen Horror nicht erleben muss) kann auch nur Ansatzweise wissen wie es einem geht.

Darum sollte auch niemand der meinen Weg nicht gehen musste, den Schmerz nicht ertragen musste und plötzlich mit 3 Kindern „alleine“ da stehen muss, urteilen darüber, wie ich mein Leben lebe! Wie ich mit der Trauer umgehe und wie viel Hilfe ich brauche oder nicht brauche.

Was wäre in Deinen Augen wichtig im Umgang mit Trauernden und vor allem trauernden Kindern? Welche Sätze sollten vermieden werden?

Mein persönliches Trauer-Bullshit-Bingo besteht aus folgenden Sätzen:

  • Du musst stark sein.
  • Du wirst wieder glücklich.
  • Er hätte das nicht gewollt.
  • Das wäre ja kein Leben mehr gewesen.
  • Du musst nach vorne schauen.

Wichtig im Umgang mit Trauernden: redet mit uns. Wir haben keine ansteckende Krankheit. Meidet uns nicht. Guckt uns nicht so mitleidsvoll an. Gebt bitte keine Ratschläge, wenn ihr nicht selbst in der Situation wart. Hört auf zu urteilen. Ja, wir sind in Trauer, aber wir wollen über unsere Liebsten reden. Am besten den ganzen Tag, denn dann geraten sie nicht in Vergessenheit. Nehmt uns einfach still in den Arm und hört uns zu, weint mit uns und wenn wir lachen, guckt nicht so als wäre das furchtbar, sondern lacht mit uns.

Habt Ihr Euch Hilfe bei der Trauerbewältigung geholt?

Wir waren 2-3 Mal bei einer Trauerbegleitung, aber das war nichts für uns. Wir fühlen uns besser, wenn wir mit Familie und Freunden reden als mit jemand fremdem. Aber das muss jeder für sich selbst herausfinden.

Wie gehst Du mit der Einsamkeit um, die Dich umgibt, grad auch, wenn die Kids schlafen oder vielleicht nicht um Dich sind?

Anfangs hab ich diese Zeit mit weinen verbracht. Auch jetzt passiert das auch mal noch aber meistens lenke ich mich mittlerweile mit einer Serie oder lesen ab. Manchmal guck ich mir dann auch Bilder an und denke an diese Momente, in denen sie entstanden sind und lächele dabei. Diese Einsamkeit kommt in Wellen. Mal ist sie richtig ausgeprägt, dass ich heftig weine, mal kann ich wirklich positiv damit umgehen mal einfach nur für mich zu sein.

Rückblickend, gäbe es etwas, was Du ändern würdest? Was ist für Dich das wichtigste im Leben? Und siehst Du das Leben nun aus anderen Augen?

An unserer gemeinsamen Geschichte würde ich nichts ändern wollen. Sie war chaotisch, liebevoll und wunderbar, so wie sie war. Das einzige wäre, vielleicht noch mehr auf die körperlichen Anzeichen für irgendwas zu achten, wie vorher schon (ich rede mir immernoch ab und zu ein, dass man dann eventuell etwas bemerkt hätte).

Das wichtigste in meinem Leben sind unsere Kinder und die Gesundheit. Ich habe gelernt jeden Tag zu genießen. Das Leben ist so wertvoll und kann so schnell vorbei sein. Lebt euer Leben. Genießt jeden Moment und sagt euren Liebsten so oft es geht, dass ihr sie liebt!

Ich danke Dir für dieses Interview und wünsche Dir nur das Allerbeste. Ich bewundere Dich für genau diese Stärke – weiterzumachen, obwohl von einem Moment auf den anderen alles anders geworden ist.

Kontaktmöglichkeiten:

Über mich

Agnes

Zwillingsmutter (Jungs) + 1 (Tochter), Musik-, Indien- und Lyrikfan. Arbeitsmässig habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht und arbeite als Head of Online-Marketing für einen Finanzdienstleister. Falls Du Fragen zum Marketing / SEO für deine Webseite hast, kannst Du mich gerne einfach anschreiben.

Wir freuen uns über Dein Feedback

Ich bin mit der Speicherung meiner Daten einverstanden (Datenschutzerklärung)